Über mich

Alles fing damit an, dass meine Mutter, als sie mit mir schwanger war, das für bedenkenlos gehaltene Schlafmittel Contergan zu sich nahm. Und das Ergebnis: Ich wurde am 24. Februar 1961 geboren – ohne Arme und mit Hüftschäden. Dennoch wuchs ich als glückliches Kind auf, das jedoch oft im Krankenhaus war. Und eines Tages geschah es: Ich machte gerade ein Selbstständigkeitstraining, um den Alltag besser zu meistern, und war drei Monate in Münster in der Klinik. Ein einziges Mal durfte ich reiten. Genau da sprang der Pferdevirus auf mich über. Dem Charme des weichen Fells und der samtweichen treuen Augen konnte ich nicht widerstehen - bis heute nicht. Damals war ich übrigens zehn Jahre alt.

Aufsteigen einmal andersEs half also keine andere Medizin mehr. Als ich wieder Zuhause war, erfuhr ich durch eine Schulfreundin, wo bei uns in der Nähe ein Reitstall war, und mit meinem kleinen Tret- roller machte ich mich heimlich auf den Weg. Meine Eltern wollten nichts von Pferden wissen. So fälschte meine Oma die Unterschrift meiner Mutter. Ich konnte meine ersten Reitstunden nehmen. Verdienen tat ich mir diese mit Kehren und Ausmisten. Und ich war fleißig – denn schnell merkte ich, wie mir Reiten Spaß machte.

Meine Liebe zum Pferd wuchs von Tag zu Tag und schließlich überzeugte ich auch meine Eltern. Mit 16 Jahren bekam ich mein erstes Pferd – das bezahlte ich von meiner Conter- ganrente. Meine Eltern sagen heute noch, dass ich hätte reich sein können. Doch was will ich mit viel Geld, wenn ich nicht raus komme, keine Menschen treffe und mein Hobby nicht ausüben kann?
Die Pferde waren für mich mein Integrationsmittel, denn schließlich gab es keine Umlenkhilfen. Ich wurde mit den anderen Reitschülern gleichgestellt. Einzig: Ein umfunktioniertes Martingal war meine Hilfe, und man musste mich aufs Pferd heben. Erst mit meinem zweiten Pferd kam ich dann zum Tur- niersport. Ich machte zunächst mein Reitabzeichen in Bronze, um dann auf ganz normalen Reittur- nieren zu starten. Beides ging nur mit einem speziell von Pfarrer von Dietze entwickelten Kompensatorischen Hilfsmittel. Und da die Wege des Schicksals manchmal seltsame Wendungen nehmen, bin ich dann durch eine Freundin auf ein Behinderten-Reitturnier aufmerksam gemacht worden. Doch das ging mir gegen meine Ehre - hatte ich doch schon einige Erfolge bei Regelturnieren gesammelt. Schließlich überzeugte mich meine Freundin und ich fuhr hin. Da war der Ball ins Rollen gekommen. Dr. Susi Fieger vom Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten sprach mich an, ob ich nicht auf internationalen Turnieren für unseren Sport werben könnte. So ritt ich diverse Show-Programme. Das war für mich die Krönung.

Und es sollte noch besser kommen. Ich wurde zu einem Sichtungsturnier nach Köln einge- laden. Im Visier standen die aller ersten Weltmeisterschaften für behinderte Reiter – allerdings ritt man nicht auf seinem eigenen Pferd. Dennoch, ich machte mit und schließlich und endlich gelang es mir, 1991 den Weltmeistertitel zu gewinnen. Für mich ging wahrlich ein Traum in Erfüllung. Ich war die aller erste Weltmeisterin.

Der achte Platz bei den Paralympischen Spielen 1996 in Atlanta war dann für mich der vorläufige Höhepunkt meiner Karriere. Jahre des Zweifelns folgten und ich hängte den Reitsport an den berühmten Nagel. Doch wer einmal vom Pferdevirus infiziert ist, kommt von den edlen Vierbeiner nicht los. Und so ging es mir auch. Dazu kam, dass ich es vermisste, für ein Lebewesen verantwortlich zu sein. Und bevor ich mich versah, hatte ich auch schon wieder ein Pferd – eigentlich nur für die Freizeit. Doch schnell packte mich der Ehrgeiz und bei den Weltmeisterschaften 1999 in Dänemark war ich wieder dabei. Nicht nur das, ich konnte sogar Gold in der Hauptprüfung und in der Kür gewinnen und mit dem Team holten wir Silber. Das war einfach absoluter Wahnsinn. Allerdings ging Sydney 2000 dann mächtig in die Hose.

Ja, auch bei mir kann hin und wieder was schiefgehen. Was sich bisher anhörte wie eine Bilderbuchkarriere war oft genung nur über Willensstärke zu erreichen. So gibt es nämlich immer wieder Situationen, in denen ich auch Angst habe.

Seit 2003 habe ich nun einen richtigen Sponsor, Bonnfinanz, der mir mein Leben erleichtert. Die haben mich in der TV-Show Johannes B Kerner gesehen, und entschieden sich, mich zu unterstützen. Das ist auch sehr hilfreich, wobei es immer schwierig ist, den Reitsport zu finanzieren. Neben meiner Reitkarriere habe ich übrigens eine Ausbildung als Erzieherin gemacht und arbeite nun schon seit 21 Jahren in  einem Kindergarten in Bad Bodendorf. Und die geben mir zum Glück immer wieder Urlaub, wenn es für mich zum Beispiel heißt: Paralympics ich komme. Genau wie 2004 für Athen. Und da bin ich meiner Chefin ewig dankbar. Denn ich konnte einen weiteren Traum verwirklichen: zwei Silbermedaillen – einmal die Championatsprüfung und einmal mit der Mannschaft. Und mein Pferd Roquefort holte sogar noch die dritte Silbermedaille. Da sich das Pferd von meiner Teamkollegin, die allerdings aber nicht in meiner Schadensklasse (Grade III) reitet, verletzte, lieh ich ihr Roquefort. Zum Glück stimmte die Chemie zwischen den beiden und sie konnte Silber gewinnen. Ja, das war im Sommer 2004. Das folgende Jahr sollte nicht so erfolgreich werden, gesundheitliche Unstimmigkeiten bei mir und Rocky. Ich musste sportlich ein wenig kürzer treten und bekam sogar ein neues Hüfgelenk. Dazu kommt, dass Roquefort nicht mehr der Jüngste ist. Ach ja, mein Traum von einer Teilnahme an einer kleinen S-Dressur im Regelsport wird sich nun nicht mehr erfüllen. Schade, aber die vielen aktiven Jahre im Reitsport haben mich nachhaltig geprägt und mein Wissen, meine Philosophie kann ich ja hier und da bestimmt noch weitergeben.

Es grüßt Bianca